Zwischen November 1992 und Mai 1993 wurden in einem Aare-Abschnitt bei Bern Untersuchungen über Vorkommen und Bestände verschiedener Altersklassen der Nase (Chondrostoma nasus, L., Cyprinidae) durchgeführt. Die Nase gilt in der Schweiz als stark gefährdet.
Das untersuchte Gewässer wird durch zwei Wasserkraftwerke beeinflusst. Dadurch entsteht eine deutliche Zonierung des Abschnitts in Restwasser-. Fliess- und Staustrecke. Welchen Einfluss die anthropogenen Veränderungen des Wasserregimes auf verschiedene Altersklassen der Nase haben können, wurde mittels elektrischem Fischfang, der Direktbeobachtung der Nasenbestände, sowie mit Habitatscharakterisierungen ermittelt.
Die Laichplatzsituation im untersuchten Gewässerabschnitt kann als gut beurteilt werden, jedoch zeigen die am Laichgeschäft beteiligten Nasen Anzeichen einer Überalterung. Das jüngste auf den Laichplätzen gefangene Tier wurde als 10jährig bestimmt; dominierend bei den Weibchen sind 14-, bei den Männchen 13jährige. Insgesamt lässt sich der Bestand an laichenden Tieren innerhalb des 25 km langen Abschnitts auf 1000 bis max. 1200 Exemplare beziffern.
Während für die Adulten in der Fliess- und der naturnah strukturierten Restwasser strecke gute Habitatsbedingungen bestehen, lässt sich für die 0⁺-Juvenilen von einem eigentlichen Habitatsdefizit in diesen Zonen sprechen. Fehlend sind Buchten oder mit dem Hauptwasser verbundene Seitenbereiche, die auch bei unterschiedlichen Abflussbedingungen strömungsberuhigt bleiben. So wird im laufe des ersten Lebensjahres praktisch der Gesamtbestand der Juvenilen in den unterliegenden Laufstau abgeschwemmt, oder wandert dorthin ab. Es kommt zu einer räumlichen Sortierung der Altersklassen im Gewässerabschnitt, wobei die Jugendstuben weitab von den Laichplätzen und den Haupt-Aufenthaltsorten der älteren Tiere zu liegen kommen.
Die im Laufstau befindlichen Habitate erbringen zwar den für die Juvenilen wichtigsten Lebensraum-Parameter geringer Strömung, weisen aber andere Substrateigenschaften auf. Auf dem von Feinsedimenten dominierten Untergrund bilden sich kaum Überzüge aus Kieselalgen, für deren Aufnahme die Nasen morphologisch und nahrungsökologisch spezialisiert sind. Diese qualitative Minderwertigkeit der Habitate im Staubereich wirkt sich offensichtlich in einer geringeren Wachstumsleistung der 0⁺-Juvenilen aus. Tiere aus dem Laufstau zeigten nach rund acht Lebensmonaten eine signifikant geringere Totallänge als die in der Restwasserstrecke verbliebenen Tiere. Bei gleichaltrigen Alet aus denselben Habitaten konnte für die verschiedenartigen Lebensräume kein Unterschied im Längenwachstum festgestellt werden.· Grundsätzlich ist bei verlangsamtem Wachstum mit einer Verminderung der individuellen Fitness zu rechnen.
Mit den sehr unterschiedlichen Lebensraumansprüchen der verschiedenen Altersklassen und der starken fortpflanzungs- und emährungsbiologischen Einnischung von Ch. nasus, darf diese Art als eigentlicher Indikator für die Funktionsfähigkeit des Lebensraumes Fliessgewässer gelten.