Im Forum Chriesbach der Eawag ist ein NoMix-System installiert, das den Urin sammelt und getrennt vom restlichen Abwasser abführt. Da der Urin einen Grossteil an Nährstoffen wie Stickstoff enthält, kann er separat aufbereitet und anschliessend als landwirtschaftlicher Dünger genutzt werden. Im Leitungssystem wird der Harnstoff, welcher die grösste Stickstoffkomponente im Urin bildet, durch Bakterien abgebaut. Für ein besseres Verständnis der Harnstoffhydrolyse muss bekannt sein, wie lange der Urin im Leitungssystem verweilt. Um die Aufenthaltszeit von Urin zu quantifizieren wurden in dieser Arbeit Tracerversuche mit Bromid durchgeführt. Dabei wurden neben einer mittleren Aufenthaltszeit auch der Einfluss der Benutzerfrequenz und der Distanz, also dem Stockwerk aus dem der Urin kommt, untersucht. Zusätzlich wurde die Aufenthaltszeit mit Hilfe einer Urinbilanz berechnet, bei der die summierten Input und Output Kurven des Urins aufgezeichnet wurden. Die zeitliche Verschiebung der beiden Kurven beschreibt eine mittlere Verweilzeit.
Die Tracerversuche zeigten, dass sich die Aufenthaltszeit des Bromids und des eigentlichen Urins deutlich unterscheiden. Der Tracer repräsentiert somit nicht wie ursprünglich angenommen den Grundstrom. Wie aus der Urinbilanz hervorging hat der Urin eine mittlere Verweilzeit von 31 Minuten mit einer Standartabweichung von 12 Minuten. Die mittlere Aufenthaltszeit des Bromids ist gemäss den Tracerversuchen etwa viermal grösser. Das unterschiedliche Verhalten ist dadurch zu erklären, dass das Bromid im Leitungsrohr in den Biofilm diffundiert und deshalb mehr Zeit als der Urin benötigt. Mit zunehmender Benutzerfrequenz gleichen sich die beiden Aufenthaltszeiten an, da mehr Urin vorhanden ist, in welches das Bromid zurückdiffundieren kann. Das Stockwerk beeinflusst die Aufenthaltszeit des Urins und des Bromids. Der Einfluss auf das Bromid ist jedoch grösser, da die Diffusion in den Biofilm in den vertikalen Leitungen grösser ist als in den horizontalen.
Auf die Verweilzeit des Harnstoffs konnte aus den Ergebnissen auf Grund der Diffusion nicht geschlossen werden, da weder der Urin noch das Bromid repräsentativ sind. Es kann aber mit grosser Wahrscheinlichkeit gesagt werden, dass auch der Harnstoff und weitere gelöste Stoffe in den Biofilm diffundieren und damit eine grössere Aufenthaltszeit als der Urin besitzen.