Neben dem Wasser sind Kohlendioxid und lösliche Stickstoffverbindungen die mengenmässig wichtigsten Rohstoffe für das Pflanzenwachstum. Das Kohlendioxidangebot in der Luft hat sich seit Beginn der industriellen Revolution um fast 30% erhöht und wird sich in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts verdoppelt haben. Das Angebot an löslichen Stickstoffverbindungen hat sich in manchen Gegenden Europas gegenüber dem natürlichen Angebot mehr als verzehnfacht. Im Jahr 1987 erreichte die global vom Menschen freigesetzte Menge an Stickstoffverbindungen das Ausmass der natürlichen Stickstoffbindung durch Mikroorganismen. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass sich seit gut 20 Jahren weltweit zahlreiche Forschungsgruppen die Frage stellen, wie denn die Vegetation auf solche einschneidende Änderungen ihrer chemischen Umwelt reagiert.
Ein grosser Teil der bisherigen Untersuchungen beschäftigte sich aus praktischen Gründen mit krautigen Pflanzen oder eingetopften Baumsämlingen. Meist wuchsen dabei die Testpflanzen alleine, also ohne Konkurrenz, auf. Der hier vorgestellte Grossversuch unterscheidet sich von allen bisher weltweit durchgeführten darin, dass eine Vielfalt von Umwelt- und Pflanzenfaktoren in Kombination getestet wurde. Darin bestand auch eine ungewöhnliche Herausforderung bei der Interpretation der Resultate. Ohne Zweifel wird auch die Leserschaft dieses Textes diese Schwierigkeit gespürt haben. Alle Autoren dieses Buches hatten mit dem Problem zu kämpfen, dass jede Aussage relativiert werden musste, weil sie nur für ganz bestimmte Faktorenkombinationen gilt. In keinem der Teilbereiche war es möglich zu sagen: «So wirkt die Erhöhung der CO₂-Konzentration in der Luft...». Stets war es nötig, nach Rahmenbedingungen zu differenzieren. Die Öffentlichkeit erwartet jedoch von der Wissenschaft eindeutige Aussagen und keine »Wenn-Dann»-Stellungnahmen. Dieser Grossversuch machte es überdeutlich: Es gibt keine einfachen Antworten auf die zu Projektbeginn gestellten einfachen Fragen. Man kann noch einen Schritt weiter gehen: Wenn in diesem Wissenschaftsgebiet Forschungsresultate mit einfachen, klaren Aussagen präsentiert werden, dann darf man annehmen, dass diese nur das Ergebnis einer stark simplifizierten Versuchsanordnung waren.